31. Oktober 2025
IN VIA Würzburg feiert Jubiläum
130 Jahre stark für Frauen
Interview mit Vorständin Martina Fallmann
130 Jahre Engagement für Frauen, Jugendliche und soziale Gerechtigkeit – IN VIA Würzburg feiert ein besonderes Jubiläum. Was 1895 als katholischer Mädchenschutzverein begann, ist heute ein moderner Sozialverband, der Menschen in vielfältigen Lebenslagen begleitet und stärkt.
Im Interview spricht Vorständin Martina Fallmann über die Anfänge, die bleibende Aktualität der Gründungsidee und darüber, was IN VIA Würzburg heute bewegt.
- Frau Fallmann, IN VIA Würzburg feiert 130 Jahre Bestehen – gegründet als katholischer Mädchenschutzverein. Wie hat damals alles begonnen?Martina Fallmann: Die Wurzeln von IN VIA Würzburg liegen in einer Zeit, in der viele junge Frauen vom Land in die Stadt kamen, um Arbeit zu finden – oft ohne Schutz und Unterstützung. Die Gründerinnen wollten genau da helfen: Mädchen und Frauen stärken, ihnen Orientierung geben und sie auf ihrem Weg begleiten. Es war ein mutiger und zugleich sehr moderner Schritt, sich in dieser Form für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit einzusetzen.
- Was hat sich seitdem verändert – und was ist geblieben?Martina Fallmann: Vieles hat sich gewandelt, doch unser Kern ist derselbe geblieben: Wir begleiten insbesondere Mädchen und junge Frauen in schwierigen Lebenssituationen. Früher waren es Dienstmädchen, heute sind es Mädchen und junge Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in Ihrer Herkunftsfamilie leben können und somit ein temporäres Zuhause brauchen oder Frauen mit Migrationsgeschichte. Es geht immer um Teilhabe, Selbstbestimmung und Würde.
- IN VIA war von Anfang an eng mit der Bahnhofsmission verbunden.
Welche Bedeutung hat diese Verbindung heute?Martina Fallmann: Wir sind Co-Träger der Bahnhofsmission Schweinfurt. Die Bahnhofsmission ist bis heute ein wichtiger Ort für uns – ein Ort der Begegnung, der Offenheit und des Vertrauens. Wir erleben dort täglich, was Ellen Ammann, die Gründerin der ersten katholischen Bahnhofsmission in München, bewegt hat: Menschen zu begleiten, ihnen zuzuhören, unabhängig von Herkunft, Alter oder Religion. Für viele unserer Gäste in schwierigen Lebenslagen sind wir der letzte Anker. Für Reisende eine wichtige Hilfe, um mobil zu bleiben.
- Der Verband steht für Teilhabe, Chancengleichheit und Bedarfsorientierung.
Wie setzen Sie diesen Auftrag heute in Würzburg und der Region um?Martina Fallmann: Unser Name „IN VIA“ bedeutet „auf dem Weg“ – und genau das sind wir seit 130 Jahren: immer in Bewegung, offen für Veränderungen und nah an den Menschen.
Wir arbeiten nicht für, sondern mit den Mädchen, Frauen und Gästen unserer Bahnhofsmission. Seit 2008 unterstützen wir beispielsweise in unseren vier Wohngruppen und dem Betreuten Einzelwohnen Mädchen und junge Frauen zwischen sieben und 21 Jahren dabei, ihren Platz im Leben zu finden. Wir geben ihnen ein Zuhause, Schutz und Begleitung in ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben.
Darüber hinaus bieten wir spezialisierte Hilfe für besonders schutzbedürftige Frauen, etwa in unserer Beratungsstelle zu FGM_C (Weibliche Genitalbeschneidung) oder in der Teilgemeinschaftsunterkunft für Frauen (und deren Kinder), die Gewalt erfahren haben. Ziel ist es, Ihnen einen Ort der Sicherheit und Ruhe zu geben, damit sie die Kraft finden, sich eine Zukunft in Deutschland aufzubauen. Auch die Projektarbeit verläuft unter dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“. - IN VIA ist ein katholischer Frauenverband. Wie gelingt es, offen und modern zu bleiben?Martina Fallmann: Indem wir zuhören. Wir sind im ständigen Austausch mit den Menschen, die wir begleiten, und versuchen, ihre Lebensrealität zu verstehen. Themen wie Empowerment, Selbstbestimmung, Teilhabe und Gleichberechtigung sind heute genauso wichtig wie früher – vielleicht sogar wichtiger. Als katholischer Frauenverband sehen wir uns hier in besonderer Verantwortung: Wir wollen Menschen stärken, Orientierung geben und Räume schaffen, in denen sie Vertrauen und Halt finden.
- Was wünschen Sie sich für die Zukunft?Martina Fallmann: Ich wünsche mir, dass das große Engagement unserer haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden bleibt – sie sind das Herz von IN VIA. Und ich wünsche mir, dass wir auch künftig die nötigen gesellschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen haben, um unsere Arbeit fortzusetzen.
Denn wir wissen: Die Unterstützung, die wir geben, wird gebraucht – heute mehr denn je.
(Interview: Annette Bieber)