Fachkräfte informieren, Betroffene aufklären

Gegen weibliche Genitalbeschneidung: Unser Bild zeigt den Referenten Dr. med. Christoph Zerm bei seinem Fachvortrag in Würzburg (Foto: B. Zöller

IN VIA Bayern: Fachtag zu weiblicher Genitalbeschneidung FGM/C in Würzburg

Würzburg/München. Viel zu viele Mädchen und Frauen weltweit werden Opfer von Genitalbeschneidung. Schätzungen zufolge sollen in Bayern rund 20 000 Frauen und Mädchen davon betroffen und bedroht sein.

Wie wichtig Aufklärungsangebote sind, zeigt das große Interesse an dem Fachtag „Weibliche Genitalbeschneidung: Wissen – Ansprechen – Handeln. Sensibilisierung und Vernetzung für Fachkräfte“, zu dem der Frauenverband IN VIA Bayern e.V. im Rahmen der Gewaltschutztage 2022 ins Matthias Ehrenfried Haus in Würzburg eingeladen hatte.

Verschiedene Träger aus der Region hatten für diese Kooperationsveranstaltung ihr Wissen zu FGM/C zusammengetragen und die ersten Fäden für ein entstehendes regionales Netzwerk geknüpft: Die Gleichstellungsstelle der Stadt Würzburg, das Generationen-Zentrum Matthias Ehrenfried e. V., der Landkreis Würzburg, Medmissio, der Katholische Deutsche Frauenbund, der SkF, Terre des Femmes, IN VIA Würzburg und IN VIA Bayern.

Dass es einen geschützten Raum braucht, in dem sich betroffene Frauen zu diesem Tabuthema äußern können, betonten Heike Mix vom Projekt Blickpunkt im Rahmen der interkulturellen Frauenarbeit der Stadt Würzburg und die Kinderkrankenschwester Nadja Rupp vom Missionsärztlichen Institut Würzburg. Die beiden Podiumsteilnehmerinnen sind im Kontakt mit Frauen, die mit weiblicher Genitalbeschneidung (englisch: Female Genital Mutilation/Cutting, kurz FGM/C) konfrontiert sind. Ist das Eis gebrochen, könnten auch Kontaktadressen zu konkreten Hilfsangeboten beispielsweise im gynäkologischen Bereich ausgetauscht werden.

Der Fachverband IN VIA Bayern bietet regelmäßig Fachtage zum Thema weibliche Genitalbeschneidung.
(Foto: B. Zöller)

Dr. med. Christoph Zerm, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, befasst sich schon seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema FGM. Vor etwa 130 Teilnehmenden, die vor Ort im Matthias Ehrenfried Haus oder online seinen Vortrag hörten, verurteilte er FGM aufs Schärfste als eine besonders brutale, Frauenrechte verachtende Praxis, die einer mutmaßlich 5000-jährigen patriarchalen Tradition folge, eine der vielen Formen von Gewalt gegen Frauen weltweit. Zugleich beleuchtete er den sozio-kulturellen Hintergrund, auch im Vergleich und in Entsprechungen im europäischen Kontext. Über 200 Millionen Frauen sind weltweit betroffen.

Das Bayerische Sozialministerium fördert seit Februar 2021 ein wachsendes Netzwerk zum Thema FGM/C und so waren verschiedene Netzwerkpartner aus Bayern angereist, um von ihren Erfahrungen zu berichten: Evi Tietmann von der pro familia Ingolstadt berichtete von der Ausbildung der Kulturmittler*innen, die Donna Mobile e.V. aus München in Ingolstadt durchführt. Referentinnen der Wüstenrose aus München, sowie Rike Sindbert von pro familia aus Nürnberg und Dr. Birgitta Bauer vom Klinikum Würzburg Mitte gGmbH gestalteten Workshops. Fatim Dao konnte ihre Kenntnis der Situation an der Elfenbeinküsten und in Mali in der Diskussionsrunde zur Verfügung stellen. Sie teilt die Einschätzung von den Vertreterinnen der Migrationsmedizin.

Weltweit wird die Praxis der FGM/C unter traumatisierenden und katastrophalen medizinischen Verhältnissen von Beschneiderinnen durchgeführt. Viele Mädchen überleben das nicht, haben gesundheitliche Schäden und eine zerstörte Sexualität. FGM/C kann ein Asylgrund sein, doch gibt es zahlreiche Fallberichte, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Situation der Betroffenen und der Gefährdeten oft nicht angemessen eingeschätzt wird. Auch hier tut Aufklärung Not. Diese Thematik beleuchtete Dr. Zerm in einer Workshop-Runde.

Die Teilnehmenden bereicherten den Fachtag durch ihr großes Interesse und zahlreiche Fragen. Auch die Notwendigkeit von Kulturmittler*innen wurde betont, deren Engagement adäquat entlohnt werden müsse. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Deutlich wurde: Es gibt viel zu tun. Zunächst soll das Thema Vernetzung forciert werden. IN VIA Würzburg e.V. wird sich vor Ort in diesem Bereich engagieren und die Kontakte weiter bündeln.

IN VIA Bayern bietet immer wieder Veranstaltungen rund um das Thema FGM/C an, mehr Infos dazu auf www.invia-bayern.de. Interessierte können sich auch in den News-Verteiler aufnehmen lassen per Mail an info@invia-bayern.de